Herzlinie mit Herz

So werden OTC Marken langfristig gestärkt

In der aktuellen Ausgabe der Pharma-Marketing-Zeitschrift PM-Report erläutert Georgios Manolidis, Geschäftsführer von cyperfection, warum es sich gerade für Pharma Unternehmen lohnt, auf Content Marketing zu setzen.

Lesezeit: 11 min

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Das Verhalten der Verbraucher bezüglich der Informationsbeschaffung und Kaufentscheidung bei OTC-Produkten hat sich stark gewandelt: Der stationäre Handel verliert an Bedeutung und Verbraucher nutzen immer häufiger Onlineangebote, um sich über Produkte zu informieren. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, sollten Healthcare-Unternehmen auf eine Content-Marketing-Strategie setzen, die Verbrauchern hochwertige Informationen und Services zur Verfügung stellt.

Fragen Sie etwa noch Ihren Arzt oder Apotheker?

Kompetente Beratung, eine Empfehlung für das richtige Medikament und eine Packung Taschentücher – für viele Verbraucher sind das nicht mehr genügend Argumente, den Weg in die örtliche Apotheke zu suchen. Das Internet ist 24 Stunden am Tag geöffnet, überzeugt mit oft niedrigeren Arzneimittelkosten und Anonymität: Laut einer BVDVA-Studie haben 31 Millionen Kunden, also 55% aller Internetnutzer 2016, ihre Arzneimittel in Versandapotheken bestellt. Davon waren rund die Hälfte der verkauften Packungen rezeptfrei. Vor allem bei prekären Produkten wie Hämorriden-Salben oder Flohsprays verzichten viele auf die Beratung von Angesicht zu Angesicht. Wissensdurst herrscht natürlich trotzdem: Mehr als 1 Million medizinische Seiten im Internet bieten eine Fülle an Informationen und Beratungsangeboten für alle möglichen Krankheiten und Beschwerden. Bei Fragen zu rezeptfreien Produkten werden diese stark genutzt: Laut einer Eurostat-Studie nutzten im Jahr 2016 63% das Internet zur Beschaffung gesundheitsrelevanter Informationen.

Leider oft verkannt: Informationsangebote von Pharma-Herstellern

Wer sich über Beschwerden oder Behandlungsmöglichkeiten informieren möchte, bevorzugt der MSL Gesundheitsstudie 2012 zufolge unabhängig erscheinende Quellen wie Wikipedia, Gesundheitsportale oder Internetseiten von Krankenkassen. Aber auch Blogs, Gesundheitsforen und Soziale Netzwerke sind beliebte Recherchequellen. Unternehmensseiten wird hingegen laut dieser Studie oft nicht viel Vertrauen entgegengebracht. Zu groß ist scheinbar die Gefahr, dass die angebotenen Inhalte nur auf den Verkauf der unternehmenszugehörigen Produkte abzielen. Dabei ist der Verdacht meistens unbegründet. Im Gegensatz zu vielen anderen Quellen kann sich der Nutzer hier sicher sein, dass die vom Pharma-Unternehmen veröffentlichten Informationen und Services medizinisch-wissenschaftlich streng überprüft werden. In Zeiten von Fakenews und einem immer undurchsichtiger werdenden Angebot von (Gesundheits-)Informationen im Netz ist genau das ein echter USP – den es auch zu spielen gilt.

Nutzer-zentriert statt produktorientiert denken

Beim Content Marketing tritt die aufdringliche „Kauf mich!“-Botschaft der klassischen Werbung in den Hintergrund. Stattdessen werden Services und Informationsangebote bereitgestellt, die den Nutzer beim Umgang mit seinen Beschwerden unterstützen sollen. Sei es in Form von Artikeln, Infografiken, E-Books, Ratgebern, Apps oder ganzen Service-Plattformen. Im Vergleich zu anderen Branchen, bei denen der Anreiz zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Produkt erst künstlich geschaffen werden muss – beispielsweise durch besondere Originalität oder Paid Media – kann die Healthcare-Branche beim Content-Marketing einen großen Vorteil nutzen: Kaum etwas interessiert Menschen so sehr wie ihr eigenes Wohlbefinden. Die Motivation ist groß, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – und mit Mitteln und Wegen, die Besserung versprechen. Eine erfolgreiche Content Marketing-Strategie sollte deshalb die Bedürfnisse des potenziellen Kunden in den Mittelpunkt stellen, also wichtige und vor allem hilfreiche Themen und Services rund um die Indikation und den Umgang damit. Das Produkt kommt erst an zweiter Stelle. Dabei gilt es stets seriös zu informieren, fundiertes Wissen zu vermitteln, nutzerzentrierte Services zu kreieren und den Verbraucher dadurch zu einem mündigen Akteur im Dialog über seine Gesundheit zu machen.

Best Practice: nicht-rauchen-kann.de – Rauchen aufhören für Anfänger und Fortgeschrittene

Wer mit dem Rauchen aufhören möchte und Google um Rat fragt, stößt schnell auf das Online-Portal www.nicht-rauchen-kann.de. Neben allgemeinen Tipps gibt es Experteninterviews, Selbsttests und verschiedene hilfreiche Funktionen wie ein Rauchertagebuch, einen Sparschwein-Rechner und eine Motivationsliste. Nur vereinzelt und als Anzeige markiert tauchen Produkte der GSK-Marke Nicotinell® auf, mit dem dezenten Hinweis „Hilfe aus der Apotheke“. Die dargebotenen Contents sind interessant und gut aufbereitet. Da nimmt es der Nutzer gerne in Kauf, dass diese von einem Pharma-Hersteller bereitgestellt werden.

Screenshot von www.nicht-rauchen-kann.de Screenshot von www.nicht-rauchen-kann.de

Best Practice: mental-aktiv.de – Gehirntraining für jedermann

Wie man neben allgemeinen Informationen zu Beschwerden und Behandlungsmöglichkeiten auch andere, innovative Content-Arten ausspielen kann, zeigt das Onlineportal www.mental-aktiv.de für die OTC-Marke Tebonin®, deren Wirkstoff die Konzentrationsfähigkeit verbessern soll.

Die Plattform richtet sich an Menschen über 55 Jahre. Im Trainingscenter bekommt der Nutzer jede Menge kostenlose Gedächtnis- und Konzentrationsübungen – doch den effektivsten Teil dieser Content-Kampagne bildet der Community-Bereich: Im Knobelforum können registrierte Nutzer selbst Rätsel einreichen und mit anderen Nutzern teilen. Über diese Funktion bildete sich eine Gemeinschaft von tausenden Rätselfans, die insgesamt fast 15.000 selbsterstellte Contents einreichten. Nach Angaben der verantwortlichen Agentur betrug der ROI der Kampagne 272 %. Ein Beweis dafür, dass kreative, nutzerzentrierte Content Marketing Angebote sehr effektiv sein können.

Screenshot Website mental-aktiv.de Screenshot Website mental-aktiv.de

Die Herausforderung: Das eigene Angebot sichtbar machen

Content Marketing ist in aller Munde und hat mittlerweile bei vielen Unternehmen einen festen Platz im Marketing Mix. Entsprechend groß ist die Konkurrenz um die Zeit und Aufmerksamkeit der Nutzer. Damit Content Marketing nicht zum Selbstzweck wird, braucht es eine nachhaltige Strategie – und diese betrifft auch die Verbreitung der Inhalte. Der Berg wird auch in diesem Fall wahrscheinlich nicht zum Propheten kommen, daher ist es essenziell, sowohl Owned Media und Earned-Media als auch Paid Media zu nutzen, um die Inhalte zu verbreiten: Angefangen mit Google AdWords-Kampagnen, die die Suchbegriffe zu den indikationsrelevanten Suchbegriffen abdecken, über klassische Banneranzeigen auf Gesundheitsportalen, sozialen Plattformen & Co. bis hin zu Native Advertising, also die Schaltung von Anzeigen mit redaktioneller Anmutung. Neben SEO sollten auch Direct Marketing Maßnahmen wie E-Mail oder klassische Mailings im Vermarktungs-Mix enthalten sein. Es gilt, sämtliche für die Zielgruppe relevanten Touchpoints zu besetzen. Contents müssen genauso intensiv beworben werden wie das Produkt an sich, sonst bleibt der Invest vergebens. Dieser mag Anfangs groß sein, doch Ziel ist es, das eigene Content-Angebot mittel- und langfristig nicht mehr durch Paid, sondern durch Earned Media zu verbreiten.

Eine Content Marketing Kampagne sollte im Regelfall auch im Social Web gespielt und weiterentwickelt werden. Vielleicht nicht bei jedem Produkt. Denn wer outet sich schon gerne als „Fan“ von Hämorrhoidensalbe. Doch oft sind soziale Medien das Mittel der Wahl, um Inhalte zu verbreiten und sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Auch hier gilt es, in Paid Media zu investieren, denn die Reichweite auf Facebook & Co. ist schon lange nicht mehr kostenfrei zu bekommen.

Erfolgreich Inhalte erstellen: Welche Strukturen sind nötig?

Gleich, ob von einer externen Agentur gestellt oder intern aufgebaut: Der Content sollte von einer gut strukturierten Redaktion mit klaren Freigabeprozessen erstellt werden. Medizinische Aussagen müssen durch randomisierte Doppelblind-Studien belegt sein und das sollte bei Bedarf durch Quellenverweise nachgewiesen werden. Idealerweise erfolgt die Freigabe durch eine medizinisch-wissenschaftliche Fachabteilung. Trotz allen Restriktionen muss der Inhalt dennoch interessant und sympathisch geschrieben sein und das Informationsbedürfnis der Zielgruppe befriedigen. Medizinische-wissenschaftliche Korrektheit darf nicht dazu führen, dass die Inhalte staubtrocken und langweilig werden.

Essentiell ist bei jeder Content-Marketing-Kampagne auch, Ziele festzulegen und Maßnahmen zur Erfolgsmessung (z.B. Zugriffszahlen, Verweildauer, Empfehlungsrate) mit zu planen.

Content-Marketing für medizinische Produkte – Transparenz ist Pflicht

Bei der Erstellung von Content sollten sich Unternehmen gewisse Regeln auferlegen: Verschiedene Therapieansätze oder Wirkstoffe sollten bei einem Vergleich unabhängig dargestellt werden, damit sich der Nutzer ein eigenes Urteil bilden kann. Das Produkt sollte dabei stets im Hintergrund stehen. Jede Content-Marketing-Kampagne muss natürlich auch den strengen Werberichtlinien im Gesundheitsbereich gerecht werden. Wenn sich Content als komplett neutraler redaktioneller Beitrag ausgibt und Verweise auf ein Produkt oder einseitige Informationen enthält, verstößt das gegen das Heilmittelwerbegesetz. Der Absender ist also stets kenntlich zu machen.

Es geht im Content Marketing im Healthcare Bereich auch nicht darum, dem Nutzer unterbewusst Meinungen und Haltungen einzuimpfen, um ihn letztlich zum Kauf des Produktes zu bewegen. Es geht darum, ihn durch nutzerzentrierte Angebote an die Marke und das Unternehmen zu binden. Content Marketing erzeugt Vertrauen durch neutrale Information zu einem Thema. Durch gestärktes Vertrauen werden Nutzer im Idealfall zu Kunden. Empfehlungen für das eigene OTC-Produkt müssen also als Werbebotschaften gekennzeichnet werden und dürfen sich nicht in den Contents „verstecken“.

Nachhaltig die Wahrnehmung der eigenen Marke verändern

Auch wenn die Komplexität der Contents und die dazugehörigen Freigabeprozesse einige Hürden setzen, lohnt es sich für die OTC-Branche, auf hochwertige Informationsangebote und Services für Verbraucher zu setzen. Nutzer suchen nach medizinisch korrekten Informationen, die sie im Alltag weiterbringen, und ihnen helfen, Beschwerden zu lindern und Zusammenhänge zu verstehen. Wenn sich eine Marke als vertrauenswürdiger Bereitsteller solcher Informationen und Services positionieren kann, erreicht sie, woran klassische Pharmawerbung schon oft gescheitert ist: Die Wahrnehmung der Verbraucher zu verändern und diese nachhaltig an sich zu binden.